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DBY314 > GESUNDH 17.02.05 13:31l 179 Lines 7953 Bytes #999 (0) @ DEU
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Der Placebo-Effekt - Glaube als Medizin?
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Um zu testen, ob ein Medikament wirkt oder nicht, werden schon
lange Scheinpraeparate eingesetzt. Die Versuchspersonen wissen
dabei nicht, ob sie eine wirksame Pille einnehmen oder eine
wirkstoffleere Tablette. Immer wieder kommt es bei solchen
Schein-Praeparaten zu ueberraschungen: Das Placebo-Mittel
"schlaegt" an und heilt.
Selbst Operationen zum Schein werden inzwischen durchgefuehrt.
Auch diese Rechnung scheint aufzugehen, wie die Operations-
Ergebnisse verblueffender Weise zeigen. Der sogenannte Placebo-
Effekt ist wissenschaftlich wenig erforscht und scheint an ein
Wunder zu grenzen. Die menschliche Psyche laesst sich offenbar
austricksen.
Was genau passiert dabei im Koerper? Kann die Erwartung alleine
das Gehirn dazu bringen, Opiate auszuschuetten, die unsere
Schmerzen lindern? Kann der Glaube an Gesundung tatsaechlich
einen Schub im Immunsystem ausloesen und letztlich die viel
beschworenen Selbstheilungskraefte im Koerper anregen?
Was ist ein Placebo?
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"AErzte geben Medikamente, ueber die sie wenig wissen,
in Menschenleiber, ueber die sie noch weniger wissen,
zur Behandlung von Krankheiten, ueber die sie ueberhaupt
nichts wissen."
Noch heute kommt der Hohn des franzoesischen Philosophen
Voltaire der Wahrheit ziemlich nahe - trotz Biotechnologie und
High-Tech-Medizin. Wuerden in deutschen Apotheken lediglich
Medikamente verkauft werden, ueber deren Wirkungsweise alles
bekannt ist, waeren die Apotheken-Regale ziemlich leer.
Bei den Placebos wissen Mediziner immerhin recht genau, woraus
sie bestehen: Aus Milchzucker, Staerke oder Kochsalzloesung.
Kurzum, aus keiner in irgend einer Art und Weise medizinisch
wirkungsvollen Substanz. Dass sie trotzdem wirken - und zwar
bei mindestens einem drittel der Patienten - ist nach wie vor
raetselhaft. Lange Zeit waren Placebos fuer die meisten Schul-
mediziner nichts anderes als Scheinmedikamente, die lediglich
scheinbar Kranke - also Simulanten - kurieren koennen. Aber
zunehmend entdecken Wissenschaftler immer mehr messbare Ver-
aenderungen im Koerper, die durch Placebos hervorgerufen wer-
den und zur Heilung beitragen.
Placebos wirken bei fast jedem
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Die "Placebopersoenlichkeit" gibt es nicht. Es sind also nicht
etwa leicht beeinflussbare Menschen, bei denen die Placebos
anschlagen. Auch rational denkende, selbstbewusste Patienten
reagieren auf Placebos. Warum dennoch manche Menschen empfaeng-
licher fuer Placebos sind als andere, bleibt nach wie vor ein
Raetsel der Medizin.
Das wichtigste bei der Verabreichung der Placebos: Der Patient
darf nicht wissen, dass er nur ein Scheinmedikament erhaelt.
Das bewies der Turiner Wissenschaftler Fabrizio Benedetti. Er
haengte Patienten nach einer Lungenoperation an einen Tropf
aus dem stetig wirkungslose Kochsalzloesung tropfte. Gleich-
zeitig erhielten die frisch Operierten eine Spritze mit einem
hochwirksamen Schmerzmittel, wann immer sie danach verlangten.
Der einen Gruppe der Patienten erzaehlte Benedetti, dass sich
in dem Tropf ein neuartiges, sehr wirkungsvolles Schmerzmittel
befaende. Eine weitere Gruppe liess er absichtlich im Unklaren,
was in dem Tropf enthalten war. Die dritte Gruppe schliesslich
erfuhr die Wahrheit ueber die stetig in ihre Adern troepfelnde
Kochsalzloesung. Waehrend des ganzen Experiments liess der
italienische Forscher genau aufzeichnen nach wie vielen
schmerzstillenden Spritzen die Patienten verlangten. Und tat-
saechlich: Je mehr sie Grund zu der Annahme hatten, dass sich
in dem Tropf ein Schmerzmittel befand, desto weniger verlangten
sie nach den echten schmerzlindernden Spritzen.
Das Experiment zeigt eines ganz deutlich: Nur wenn der Patient
vom Placebo eine Besserung erwartet, kann das Scheinmedikament
seine Wirkung entfalten. Das war in Benedettis Experiment nur
bei den Patienten der Fall, denen der Forscher vorher gesagt
hatte, dass sich im Tropf ein hochwirksames Schmerzmittel be-
faende. Diese Patienten brauchten weitaus weniger echtes
Schmerzmittel. Sie profitierten von einem uralten Programm,
dass in unserem Gehirn gespeichert ist. Schon den Steinzeit-
menschen half es dabei, trotz einer schmerzhaften Verwundung
die Flucht zu ergreifen. Unser Gehirn entscheidet selbst da-
rueber, wie viel Schmerz in unser Bewusstsein rueckt. Dafuer
stehen ihm koerpereigene Schmerzmittel, sogenannte Opioide zur
Verfuegung. Sie wirken aehnlich wie Morphium.
Dass diese koerpereigenen Schmerzblocker auch durch Placebos
aktiviert werden, ist inzwischen durch viele Studien belegt.
Ein weiterer Beweis: Die Placebowirkung laesst sich sogar auf-
heben, wenn die Opioide durch den Wirkstoff Naloxon blockiert
sind.
Das Salbenexperiment
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Was im Gehirn passiert, wollten die Hirnforscher Ulrike Bingel
und Christian Buechel vom Universitaetsklinikum Hamburg-Eppen-
dorf wissen. Dazu starteten sie ein Experiment. Ihren Ver-
suchspersonen erzaehlten sie, dass sie die Funktionsweise
einer erwiesenermassen extrem wirkungsvollen Schmerzsalbe
genauer untersuchen wollten. Deswegen cremten sie die eine
Hand der Versuchsperson mit der angeblichen Schmerzsalbe ein,
auf die andere kam eine Kontrollsalbe. Tatsaechlich waren aber
beide Salben identisch - keine enthielt einen Wirkstoff.
Dann wurden die Studienteilnehmer im sogenannten Kernspintomo-
graphen genauer untersucht. Mit einem Laser gab Ulrike Bingel
einen kurzen Schmerzimpuls auf jede der beiden Haende. Danach
musste die Versuchsperson mit einem vorher verabredeten Hand-
zeichen erklaeren, wie intensiv der Schmerz war. Tatsaechlich
funktionierte auch bei der Salbe der Placeboeffekt. Die Ver-
suchspersonen gaben an, an der Hand mit der angeblich
schmerzstillenden Salbe deutlich weniger Schmerzen zu ver-
spueren. Was dabei im Gehirn geschah, zeigte spaeter die Aus-
wertung der Kernspinbilder.
Ulrike Bingel fand heraus, dass der Schmerz gar nicht in der
Grosshirnrinde ankommt, und damit auch nicht in das Bewusst-
sein eindringen kann. Offenbar ist ein Bereich im Frontalhirn,
das sogenannte rostrale anteriore Cingulum, an der Entstehung
des Placeboeffektes beteiligt. Damit ist klar: Der Placebo-
effekt hat nichts mit Einbildung zu tun, sondern fuehrt zu
echten Veraenderungen im Gehirn.
Der Noceboeffekt
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Mindestens genauso beeindruckend wie der Placeboeffekt, ist
der Noceboeffekt. Mit "Nocebo" bezeichnen Experten alle uner-
wuenschten Wirkungen von Placebos. Dazu zaehlen beispiels-
weise auch Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit, UEbelkeit und
Kopfschmerzen, die durch Placebos hervorgerufen werden. Sie
entstehen besonders haeufig dann, wenn die AErzte bei der
Verabreichung des Placebos gezielt auf diese Nebenwirkungen
hinweisen. Auch hier spielt also die Erwartung des Patienten
eine wichtige Rolle. Bereits in den 60er Jahren beeindruckte
ein Noceboexperiment die Fachwelt. AErzte sagten ihren Pa-
tienten, sie wuerden ein neues Brechmittel testen. Tatsaech-
lich erhielten die Versuchspersonen nur Zuckerwasser. Trotz-
dem mussten sich 80 % der Studienteilnehmer uebergeben.
Erwartungen sind moeglicherweise gesundheitsgefaehrdend
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Angesichts eines so massiven Noceboeffektes ist es fraglich,
ob es wirklich heilsam ist, wenn AErzte ihre Patienten vor
den Nebenwirkungen ihrer Medikamente warnen oder auf Ziga-
rettenpackungen Hinweise ueber die Risiken des Rauchens
stehen. Moeglicherweise wecken gerade diese kurzen Saetze in
den Konsumenten die Erwartung, tatsaechlich an Lungenkrebs
zu erkranken. Und das macht die Entstehung eines solchen
Krebsleidens moeglicherweise nur noch wahrscheinlicher.
Schliesslich belegen Placebo- und Noceboeffekt, wie extrem
wirkungsvoll positive und negative Erwartungen sein koennen.
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