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DQB656 > MEINUNG  25.11.04 23:55l 297 Lines 13598 Bytes #999 (999) @ DEU
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Ist ein Schwein mehr wert als ein Mensch?

Liebe Leser dieser Zeilen,

diese einfache Frage hat, seit 1979 in den englischsprachigen
Laendern, und, seit 1984, auch hier in Deutschland die Gemueter
der Lebensrechtsgruppierungen aufkochen lassen

Diese Frage wird naemlich in dem, mittlerweile "beruechtigtem",
Buch "Praktische Ethik" von Prof. Dr. P. Singer (Melbourne)
aufgeworfen.
Dort vergleicht der Ethikdozent der Melbourner Universitaet
den Nutzwert und das Lebensrecht eines Schweines mit dem
Nutzwert und dem Lebensrecht eines Menschen mit Behinderungen.

Peter Singer unterscheidet bei seinen Wertedefinitionen
zwischen "Mensch" und "Person".
So wird der Mensch erst durch Faehigkeit des Selbst-Bewusstseins
zu einer "Person" und bekommt damit erst die Grundlage des
Lebensrechtes.
Der "Mensch" an sich hat, in der Lehre der Bioethik, wie
sie nicht nur von Peter Singer gelehrt wird, kein Existenzrecht.
Und somit sind geistig behinderte, altersverwirrte Menschen
und Saeuglingen automatisch "lebensunwert".

Man kann seine Fragestellung auf einige, provokante, Grundfragen
reduzieren:
Hat ein Mensch mit einer schweren Behinderung einen Nutzwert
fuer die Gesellschaft?
Lohnt sich die Belastung, welche die Gemeinschaft fuer den
betreffenden aufbringt, oder "be"-lastet er die Geinschaft nur?
Sollte man nicht, im Sinne einer positiven Kosten-Nutzenanalyse,
beginnend schon bei der Geburt schwerstbehinderter Saeuglinge
diese nicht "Liegenlassen", damit sie, spaeter, der Gemeinschaft
nicht zur Last fallen?

Vor einigen Tagen wurde eine Pressemitteilung bekannt, wonach
Peter Singer am 11. Dezember dieses Jahres im Deutsch-amerikanischen
Institut in Heidelberg bei einer Diskussion zu Thema "Menschenwuerde
und Forschung" teilnehmen soll.
Hierbei geht es, so die Meldung weiter, hauptsaechlich um
das Thema Klonen und der sich daraus ergebende Wertewandel
des menschlichen Selbstverstaendnisses und der Wuerde des
Menschen.

Bereits vor einigen Jahren, genauer 1989, war Prof. Dr.
Singer zu einen Kongress eingeladen worden.
Damals ging es um das Thema "Euthanasie und Lebensrecht
schwerstbehinderter Saeuglinge". Also eines der Leitthemen
seines og. Buches.
Proteste von Behindertenorganisationen wie auch von bundesdeutschen
Politikern fuehrten dann allerdings dazu, dass er persoenlich
nicht in Heidelberg auftrat, sondern sich, per Konfrerenzschaltung
aus Erlangen, an der Diskussion beteiligte.
Fuenfig Jahre nach den Nuernberger Aerzteprozessen, bei denen
es ebenfalls um das Thema "Lebensrecht von Menschen mit
Behinderungen" ging, so wurfen ihm seine Kritiker damals
vor, ruft P. Singer erneut zum Toeten von "lebensunwertem"
Leben auf.

So kam es dann, dass der australische Bioethiker und Philosoph
damals nicht in Heidelberg auftrat, sondern seine Thesen,
u.a. auch in Fachzeitschriften verbreitete.
In einer Ausgabe der Zeitschrift "Universitas" schrieb er,
Mitte der 90er Jahre, u.a., sinngemaess, folgendes:
"Seit zweitausend Jahren hat die traditionelle Ethik der
Unantastbarkeit des Lebens Denken und Entscheidungen der
Menschen gepraegt und bestimmt.
Heute droht diese Ethik zusammenzubrechen.

1993 hat das hoechste britische Gericht es bei dem Komapatienten
Anthony Bland erlaubt, "Massnahmen zu ergreifen, die ausdruecklich
darauf zielten, dessen Leben zu beenden".

Ebenfalls seit 1993 ist ein Niederlaendisches Gesetz in Kraft,
nach dem Aerzte Patienten Injektionen geben duerfen, "die
unertraeglichen Leiden ohne Aussicht auf Besserung ausgesetzt
waren und um Sterbehilfe ersuchten".
Im Maerz 1996 hat zudem ein US-Gericht das Verbot der Sterbehilfe
fuer verfassungswidrig erklaert.

Am 19. Juli dieses Jahres konnte man, in der Ausgabe Nr.
30 des "Spiegel", ein weiteres Beispiel lesen.
Unter der Ueberschrift "Der Gedanke des Toetens" beleuchtet
der Spiegelredakteur E. Wiedemann den offensichtlichen Missbrauch
des hollaendischen Euthanasiegesetzes:

"[...] Die Sache dulde keinen Aufschub, sagte der junge
Mann im Behandlungszimmer. Fluege und Quartier fuer die Sommerferien
seien fest gebucht. Da lasse sich nichts verschieben. Der Doktor solle
bitte dafuer sorgen, dass der krebskranke Vater den Urlaub
nicht durchkreuzen koenne.
Es gehe ja sowieso zu Ende mit ihm.
Hausarzt Jacobus Klopp* tat, was er fuer seine Pflicht hielt:
Er verordnete eine hohe Dosis Morphium, von der er annahm,
dass sie den alten Herrn toeten wuerde. Doch der Opa dachte
nicht daran, sich zu verabschieden. Als der Doktor zurueckkam,
um den Tod festzustellen, sass er froehlich auf der Bettkante.
Seit Wochen war er zum ersten Mal wieder gut drauf. Denn
er hatte endlich so viel Morphium bekommen, wie er brauchte,
um seine Schmerzen zu ertragen.[...]" (* Name geaendert.)

Nach einer Studie der niederlaendischen Regierung, so der
Spiegelbericht weiter, "toeten Aerzte in 38 Prozent der Faelle
auch deshalb, weil "die Naechsten es nicht mehr ertragen"
koennen."
[...]
"Die Gewissheit, auf Wunsch schmerzlos und
in Frieden sterben zu koennen, bezahlen die Hollaender mit
dem Risiko, gegebenenfalls ungefragt von einem Arzt umgebracht
zu werden."
Viele Niederlaender tragen deshalb in ihrer Brieftasche eine
"Credo Card" oder auch nur einen Zettel mit sich herum:
"Maak mij niet dood, Dokter."

Peter Singers Thesen ueber "lebensunwertes" Leben bezeichnete
Prof. Dr. med. J.-D. Hoppe von der Bundesaerztekammer schon
im Jahre 1996 als "verfuehrerische Argumente, die auf das
Mitleidsgefuehl zielen, nicht auf das Mitleid mit den Betroffenen,
sondern auf das Mitleid mit den Leuten auf der Beobachterseite,
die das Leid nicht aushalten koennen. Denn diejenigen, um
die es sich handelt, sind meistens subjektiv nicht mitleidsbeduerftig.
Die leben so, wie sie leben, gerne und zufrieden."

Die "Aktion Mensch" (ehem. "Aktion Sorgenkind") meint dazu:
"Zu sehr fuehlen sie [d. Behindertenverbaende, Anm. d. Autors]
sich an die Nazi-Ideologie vom ,unwerten Leben' erinnert.
Sie werfen den sogenannten Bioethikern vor, Menschen, die
nicht den Leistungsnormen der Gesellschaft entsprechen,
das Lebensrecht abzusprechen. Sie fuerchten, dass hier im
Gewande einer scheinbar vorurteilsfreien Diskussion altes
Euthanasie-Gedankengut wieder salonfaehig gemacht werden
soll."

Hubert Hueppe, MdB/CDU und P. Altmaier, MdB/CDU betonen:
"Mit Entschiedenheit treten wir Singers These entgegen,
dass das mutmassliche Glueck des Kindes und seiner Eltern Messlatte
fuer die Zumessung des Lebensrechts ist. Singer befuerwortet die Toetung
behinderter Ungeborener, Neugeborener und Erwachsener, die
sich selbst ,nicht als ueber die Zeit hinweg existierend
wahrnehmen'. Dies bedeutet, dass fuer ihn das Lebensrecht
kein Menschenrecht ist, das jedem allein deshalb zusteht,
weil er Mensch ist."

Grosse Unterstuetzung finden die Kritiker Singers auch beim
EU-Parlament, welches mit einer ueber die Fraktionen hinweg
einheitlichen Resolution Peter Singers Thesen zurueckweist.
Das EU-Parlament wendet sich, insbesondere, gegen die Aussage,
"dass neugeborene Kinder und behinderte Menschen kein uneingeschraenktes
Recht auf Leben haben".

Wie reagieren nun die Behindertenverbaende auf den erneuten
Besuch Peter Singers?

Das Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen
(ForseA), z.B., fordert das Deutsch-amerikanische Institut
in einem offenen Brief auf, Peter Singer keine Plattform
fuer seine Thesen zu bieten:
"[...]
 Mit grossem Unverstaendnis, Besorgnis und Empoerung erfuhren
wir nun, dass der so genannte Bioethiker Peter Singer zu
Ihrer Veranstaltung am 11. Dezember nach Heidelberg eingeladen
worden ist. In einer Demokratie ist die Meinungsfreiheit
ein sehr hohes Gut, jedoch nicht eines, das ueber der Wuerde
des Menschen steht.
Entwicklungen - weder in positive noch negative Richtungen
- entstehen selten im Konsens, sondern eher im konstruktiven
Austausch verschiedener Meinungen. Doch wie ueberall gibt
es Grenzen, die nicht ueberschritten werden duerfen. Die Thesen
Peter Singers ueberschreiten die Grenzen von Moral und Ethik
bei Weitem, da sie die Lebensrechte von Menschen beschneiden.

Selbst bei wohlwollenstem Umgang mit Singers Thesen ist
es uns nicht gelungen, unsere Meinung diesbezueglich zu aendern
oder auch nur zu relativieren. Mit dieser Betrachtungsweise teilen
wir die Meinung zigtausender behinderter und nicht behinderter
Menschen.

Sie wollen "die Nachdenklichen hoerbar machen". Welche Nachdenklichen
meinen Sie? Etwas diejenigen, die fuerchten alte, kranke
und behinderte Menschen wuerden als "Schmarotzer der Gesellschaft"
deren Leistungen ueber Gebuehr beanspruchen? Deren Anzahl
deshalb minimiert werden muss?
Ist das vielleicht die kuenftige "Wirtschaftsethik"?

Oder sind die Nachdenklichen diejenigen gemeint, die Menschen
als hoechstes Gut definieren, gleichgueltig ob behindert oder
nicht? Angesichts der Zusammensetzung des Podiums, muesste
man viel Phantasie besitzen um Letzteres zu glauben.
[...]"

Fuer Barbara Vieweg, Bundesgeschaeftsfuehrerin der Interessenvertretung
Selbstbestimmt Leben in Deutschland - ISL e.V. -, ist das
Auftreten Peter Singers am 11.12.2004 eine Provokation,
welche nicht hingenommen werden
kann:
"[...]
Ethische Fragestellungen sind fuer uns von zentraler Bedeutung,
insbesondere im Zusammenhang mit dem Lebensrecht behinderter
Menschen und ihrem Anspruch auf Gleichberechtigung in der
Gesellschaft.
In den vergangenen fuenfzehn Jahren war dieser Diskurs auch
immer wieder mit der Person Peter Singers verbunden. Herr
Singer stellt das Lebensrecht behinderter Menschen grundsaetzlich
in Frage, insbesondere bei behindert geborenen Menschen.
Wir haben uns in all den Jahren mit Peter Singer auseinandergesetzt.
Seine Thesen sind fuer behinderte Menschen bedrohlich und
treffen auf eine in der Gesellschaft mittlerweile offen
gefuehrte Kostendiskussion. Die Anwesenheit von Peter Singer
auf Ihrer Veranstaltung empfinden wir als eine Zumutung,
da behinderte Menschen nicht bereit sind, ueber ihr Lebensrecht
zu diskutieren.
[...]
In Ihrem Einleitungstext heben Sie ab auf die 'Epochenschwelle,
weil der Wandel grundsaetzlich ist, muessten auch die Grundsaetze
ueberprueft werden'.
Gerade im Ueberpruefen der Grundsaetze sehen wir einen Angriff
auf die Menschenwuerde, der nicht nur behinderte Menschen
betreffen wird. Die grundsaetzlichen Positionen zur Menschenwuerde
sind fuer uns nicht hinterfragbar, auch fuer den Wirtschaftsstandort
Deutschland nicht. Es handelt sich hierbei um eine konstituierende
Grundlage unserer Gesellschaft, hinter die wir nicht zurueckgehen
werden.
[...]
Wir fordern Sie auf, die Einladung an Peter Singer zurueckzunehmen,
da dieser einer Aufklaerung der Oeffentlichkeit nicht dienlich
sein, sondern nur eingleisige Meinungsaeusserungen provozieren
wird. Herr Singer hat seine Auffassung zu der von Ihnen
geplanten Thematik seit Jahren nicht geaendert und wird auch
hier wohl nur seine provozierenden und fuer uns nicht hinnehmbaren
pseudoliberalen Thesen vertreten."

Clemens August Graf von Galen sagte, am 3.8.1941:
"[...]
Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den
"unproduktiven! Mitmenschen toeten darf, dann wehe uns allen,
wenn wir alt und altersschwach werden!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen toeten darf, dann
wehe der Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft,
ihre gesunden Krochen eingesetzt, geopfert und eingebuesst
haben!
Wenn man die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen
darf, dann wehe unseren braven Soldaten, die als schwer
Kriegsverletzte, als Krueppel, als Invaliden in die Heimat
zurueckkehren.

Wenn einmal zugegeben wird, dass Merschen das Recht haben,
"unproduktive" Mitmenschen zu toeten, und wenn es jetzt zunaechst
auch nur arme, wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist grundsaetzlich
der Mord  an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar
Kranken, der arbeitsunfaehigen Krueppeln, den Invaliden der
Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen,
wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden,
freigegeben.
Dann braucht nur irgendein Geheimerlass anzuordnen dass das
bei den Geisteskranken erprobte Verfahren auf andere "unproduktive"
auszudehnen ist, dass es auch bei den unheilbar Lungenkranken,
bei den Altersschwachen, bei den Arbeitsinvaliden, bei den
schwerkriegsverletzten Soldaten anzuwenden ist.
Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher.
Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der "unproduktiven"
setzen, die nach ihrem Urteil "lebensunwert" geworden sind.

Und keine Polizei wird ihn schuetzen und kein Gericht seine
Ermordung ahnden und den Moerder der verdienten Strafe uebergeben.
Wer kann dann noch Vertrauen haben zu einem Arzt? Vieleicht
meldet er den Kranken als "unproduktiv" und erhaelt die Amnweisung,
ihn zu toeten?
Es ist nicht auszudenken, welche Verwilderung der Sitten,
welch allgemeines gegenseitiges Misstrauen bis in die Familien
hineingetragen wird, wenn diese furchtbare Lehre geduldet,
angenommen und befolgt wird.
[...]"

Mir persoenlich stellt sich, immer wieder, im Bezug auf unser
Grundgesetz, eine grundsaetzliche Frage:
"Darf ein Mensch die Wuerde eines anderen Menschen ueberhaupt
soweit in Frage stellen, dass er ihn herabwuerdigt, ja gar
sein "Lebensrecht" in Frage stellt?"

Nein - das darf er nicht!!!

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Quellenangaben:
- www.kobinet-nachrichten.org
- Deutsches Aerzteblatt 93, Ausgabe 23 vom 07.06.1996, Seite
A-1508 / B-
1284 / C-1204
- "Spiegel" Nr. 30/2004 v. 19.07.2004
- "Euthanasiepredigt" des Muensteraner Bischofs Clemens August
Graf von Galen in St. Lamberti zu Muenster am 3.8.1941

55/73, DQB656, Hans-Werner



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