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DBY314 > WISSEN   08.02.04 00:38l 75 Lines 3717 Bytes #999 (0) @ DEU
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Subj: Medizingeschichte: Werwolf
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Medizingeschichte: Was sich im Werwolf verbirgt
-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-=-

Waren die Schreckgestalten der Horrorliteratur in Wahrheit
tollwutkranke Menschen? Das wiederentdeckte Traktat eines
Tierarztes aus dem 18. Jahrhundert scheint diese Interpreta-
tion zu belegen.

Das Unheil beginnt mit dem Biss eines Tieres. Geraume Zeit
später zeigen sich an dem Opfer die ersten Symptome: Die Un-
glücklichen scheuen das Tageslicht ebenso wie die Wasserauf-
nahme und fangen an, wie in Raserei um sich zu schlagen, zu
beißen und zu treten. In ihrem eigentümlich starren Gesicht
ziehen Spasmen der Muskulatur die Lippen zurück und lassen
Zunge und Zähne hervortreten, Geifer und Schaum quellen aus
dem Mund, und von der gequälten Kreatur sind schreckliche,
kehlige Laute zu vernehmen.

So beschreibt der Tierarzt Joseph Claudius Rougemont im Jahre
1798 seine Beobachtungen zur "Hundswuth" - heute bekannt unter
dem Namen "Tollwut" oder "Lyssa". Rougemonts vergessenem, um-
fänglichen Traktat ist jüngst der Hannoveraner Geschichtsstu-
dent Utz Anhalt in seiner Magisterarbeit nachgegangen. Aus
einem besonderen Interesse: Joseph Claudius Rougemont verwahr-
te sich ausdrücklich gegen den damals weit verbreiteten Volks-
glauben, die Gebissenen verwandelten sich in Wolfsmenschen -
so genannte Werwölfe. Daraus schließt Anhalt, dass der Werwolf-
Mythos auf die Tollwutkrankheit zurückzuführen ist.

Wie Anhalt recherchierte, besteht tatsächlich eine frappierende
Ähnlichkeit zwischen Tollwut-Symptomen und dem Verhalten eines
solchen "Mannwolfes". Kranke wie imaginäre Werwölfe brüllen und
geifern - in der Legende aus Zorn, in Wirklichkeit aus Verzweif-
lung und weil sie nicht mehr schlucken können. Die kehligen
Laute - so steht es in Rougemonts Arbeit - wurden vom Volke
fälschlicherweise als Töne des Tieres, welches die später Er-
krankten gebissen hatte, angesehen. Die Qualen der Tollwütigen
beim Schlucken von Flüssigkeiten betrachtete die Volkskultur des
18. Jahrhunderts als Angst vor der Fratze des Tieres im spie-
gelnden Wasser. Die Gesichtslähmung der Tollwutkranken deuteten
Zeitgenossen als sardonisches Grinsen oder Wolfsgesicht.

Dass Tollwut eine Virus-Krankheit ist, wusste Rougemont damals
noch nicht. Wohl aber vermutete er eine Infektion über den Spei-
chel. In der Bevölkerung blieb dies allerdings noch bis weit in
das 19. Jahrhundert unbekannt. Die an der Krankheit Verstorbenen
wurden noch lange Zeit an den gleichen Stellen wie Tiere begra-
ben. Besonders anfällig für das Virus sind in Mitteleuropa vor
allem Füchse - und Wölfe. Auch heute noch verläuft die Krankheit
fast immer tödlich, sobald die ersten Symptome auftreten. Nur
während der Inkubationszeit von durchschnittlich ein bis drei
Monaten ist eine Therapie möglich.

Auch der Glaube an andere Horrorgestalten mag auf der Tollwut
gründen. So sieht der spanische Neurologe Juan G¢mez-Alonso vom
Hospital Xeral in Vigo einen Zusammenhang zwischen dieser Krank-
heit und Vampirismus. Denn der wird, ebenso wie die Werwolf-
Natur und die Tollwut, durch einen Biss übertragen. Die Virus-
träger schwanken ebenso zwischen Hyperaktivität und Lähmung wie
Vampire, die nachts umherschweifen und tagsüber in Sargstarre
verfallen. Auch die mit den Blutsaugern assoziierten Merkmale
wie das ungeronnene Blut in den Leichen und "blutiger Geifer"
weisen auf entsprechende Eigenschaften von Lyssa-Opfern.

Zudem können die Vampire der Volkssage - wie Tollwutpatienten -
keinen Knoblauch geruch ertragen, und sie meiden den Blick in
den Spiegel und jede Form von Licht. Ferner lässt die Erkrankung
Menschen aggressiv, beißwütig und bisweilen sexuell zudringlich
werden.



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